Translation Memory - eine Einführung

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23.11.2017

Was ist ein Translation-Memory-System und welches ist das beste? Gegenfrage: Gibt es das beste Auto? Nein? Es kommt darauf an, was man damit machen will! Genauso ist es auch bei Translation-Memory-Systemen. Die folgende Einführung soll einen Überblick über die Grundidee und die Funktionsweisen von Translation-Memory-Systemen bieten. Was kann ein Translation-Memory-System, was kann es nicht, welche Funktionen besitzen alle Systeme, welche sind systemspezifisch. Zum Schluss bietet das Beispiel einer Matrix zum Testen von Translation-Memory-Systemen einen guten Ausgangspunkt für Ihre eigene "Probefahrt".

Von Angelika Zerfaß

Inhalt

Translation Memory - was ist das?

Uebersetzungsprozesse

Übersetzungsprozess ohne Translation-Memory-System

Übersetzungsprozess mit Translation-Memory-System

Was kann das Translation-Memory-System nicht?

Wie funktioniert ein Translation-Memory-System?

Datenbank

Referenzmaterial

Textcorpus

Translation Memory Systeme: ein Überblick

Basisfunktionalitäten aller Translation-Memory-Systeme

Weitere Funktionalitäten

Fazit

Translation Memory - was ist das?

Wie der Name schon sagt, ist ein Translation Memory oder auch Translation-Memory-System genannt, ein Speicher für Übersetzungen und zwar für die Übersetzungen, die durch einen menschlichen Übersetzer erstellt wurden. Es handelt sich hier also nicht um maschinelle Übersetzung: Das System speichert nur das, was der Übersetzer einträgt, es kann nicht selbst übersetzen. Es dient lediglich als Hilfsmittel für den Übersetzer.

Uebersetzungsprozesse

Übersetzungsprozess ohne Translation-Memory-System

Der Übersetzer geht den Text Schritt für Schritt durch und übersetzt kleinere Sinneinheiten. Kommt ein gleicher oder ähnlicher Satz nocheinmal vor und der Übersetzer erinnert sich, dass er diesen Satz schon einmal übersetzt hat, wird er nachsuchen, wie er den Satz vorher übersetzt hat. Die damalige Übersetzung wird, soweit möglich, weiter verwendet. Unbekannte Begriffe werden in Wortlisten, Wörterbüchern oder Online-Lexika nachgeschlagen.

Übersetzungsprozess mit Translation-Memory-System

Das Translation-Memory-System zerlegt den Text in kleinere Einheiten. Dafür stehen dem System Segmentierungsregeln zur Verfügung. Da es sein kann, dass nicht jede Einheit einen vollständigen Satz darstellt, spricht man hier häufig von Segmenten statt von Sätzen. Segmente können z.B. ganze Sätze, einzelstehend Wörter, wie "Achtung", kurze Überschriften oder auch Teilsätze in einer Aufzählungsliste sein.

Das Translation-Memory-System bietet dem Übersetzer die Segmente zur Bearbeitung an und speichert Ausgangssegmente und Übersetzungen (Segmentpaare) ab.

Jedes neue zu übersetzende Segment wird automatisch mit allen bereits bearbeiteten Segmenten im Translation-Memory-System verglichen. Findet das System das gleiche oder ein ähnliches Segment, bietet es dem Übersetzer die Übersetzung des alten Segments als Vorschlag an. Der Übersetzer entscheidet, ob die Übersetzung verwendet, geändert oder neu erstellt wird.

Jeder Begriff des zu übersetzenden Satzes wird automatisch in der Terminologiedatenbank des Translation-Memory-System nachgeschlagen. Wird ein Begriff gefunden, wird seine Übersetzung dem Übersetzer vorgeschlagen.

Die Prozesse ähneln sich also sehr, nur mit dem Unterschied, dass das TM System auf jeden Fall jedes neue Segment mit allen bereits übersetzten Segmenten vergleicht und auch alle Begriffe automatisch nachschlägt. Dies hilft dem Übersetzer konsistenter zu arbeiten und spart Zeit beim Nachschlagen alter Übersetzungen.

Was kann das Translation-Memory-System nicht?

Ein Translation-Memory-System ist "nur" eine Speichermöglichkeit. Es überprüft die Übersetzungen nicht auf Schreibfehler, linguistische oder grammatische Fehler. Wird ein Fehler mit abgespeichert, bleibt er so lange im Translation-Memory-System, bis er vom Übersetzer entdeckt und korrigiert wird.

Wie oben schon erwähnt, ist ein TM kein System zur maschinellen Übersetzung, das heißt, das System "versteht" den Text nicht. Inzwischen wird auch bei einigen Herstellern an einer Verknüpfung von TM mit maschineller Übersetzung gearbeitet, um beide Systeme nutzen zu können.

Ein Translation-Memory-System ist nur die Schnittstelle für die Übersetzungsdatenbanken – wie MS Word eine Schnittstelle für Text-, Word- und neuerdings auch XML-Dokumente ist. Ob Sie heute Griechisch – Japanisch, morgen Englisch – Finnisch und übermorgen Arabisch – Spanisch übersetzen, ist dem Translation-Memory-System völlig egal: es legt nur die entsprechenden Datenbanken an.

Außerdem kann ein Translation-Memory-System nur dann effektiv eingesetzt werden, wenn die Ausgangstexte eine entsprechende Qualität haben. So dürfen die Texte nicht zweideutig geschrieben werden. Ferner müssen gleiche Sachverhalte mit immer gleichen Satzstrukturen beschrieben und die Terminologie konsistent verwendet werden.

Wie funktioniert ein Translation-Memory-System?

Die Grundidee jedes Translation-Memory-Systems ist es, eine Übersetzung für ein Segment nur einmal machen zu müssen und bei jedem erneuten Auftauchen des gleichen Segments eine Übersetzung direkt anzubieten Dies wird dann als 100% Match (exakte Entsprechung) bezeichnet. Wird nur ein ähnliches Segment im Speicher gefunden, wird dies häufig als Fuzzy Match (unscharfe oder ähnliche Entsprechung) bezeichnet.

Die Arbeit findet in einer zweisprachigen Umgebung statt, d. h., der Übersetzer hat auf dem Bildschirm immer beide Sprachpaare vor Augen.

Zu Beginn jedoch sind die Translation-Memory-System leer, das heißt der Übersetzer muss die Datenbankfelder selbst mit seinen eigenen Übersetzungen füllen. Auch die Terminologiekomponente ist meist leer, allerdings gibt es hier teilweise die Möglichkeit kommerzielle Wörterbücher einzubinden.

Es gibt mehrere verschiedene Ansätze, mit denen die heutigen Translation-Memory-Systeme arbeiten: Datenbank, Referenzmaterial und Textcorpus.

Datenbank

Die Segmentpaare werden ohne Kontext in der Datenbank abgelegt. Eine Datenbank wird für alle Übersetzungen dieses Sprachpaares verwendet.

Funktionsschema Datenbank, Grafik: Zaac

Referenzmaterial

Die Segmente werden im Kontext aber in verschiedenen Dateien abgelegt. Die Verknüpfung der Segmente in Ausgangs- und Zielsprache wird über Referenznummern erreicht. Die Segmente können, wenn nötig, im Kontext angeschaut werden. Für jede neue Übersetzung wird aus den Referenzdateien vergangener Projekte ein TM angelegt.

Funktionsschema Referenzmaterial, Grafik: Zaac

Textcorpus

Die Segmente werden nicht einzeln abgelegt, sondern im Kontext der gesamten Datei abgespeichert. Bei der Übersetzung wird der Kontext angezeigt, in dem das Segment früher schon einmal übersetzt wurde – allerdings werden hier meist keine 1-zu-1 Entsprechungen für einzelne Segmente gezeigt, sondern parallele Textpassagen.

Funktionsschema Textcorpus, Grafik: Zaac

Translation-Memory-Systeme: ein Überblick

Im folgenden werden die Translation-Memory-System alphabetisch gelistet, die zurzeit am häufigsten für die Übersetzung von Dokumentation verwendet werden (AS = Ausgangssprache, ZS = Zielsprache).

Across von Ahead (http://www.across.net)

Déjà Vu von Atril (http://www.atril.com)

MultiTrans von MultiCorpora (http://www.multicorpora.ca)

SDLX von SDL (http://www.sdl.com)

Transit von STAR (http://www.star-group.net)

Translator´s Workbench von TRADOS (http://www.trados.com / http://www.translationzone.com)

Wordfast von Champollion

Einige dieser Translation-Memory-Systeme können auch für die Übersetzung von Software eingesetzt werden, obwohl es für die Übersetzung von Software auch noch spezialisiertere Systeme, sog. Softwarelokalisierungssysteme, gibt.

Einige Beispiele für Softwarelokalisierungssysteme:

Catalyst von Alchemy Software (www.alchemysoftware.ie)

Multilizer von Multilizer (www.multilizer.com)

Passolo von Pass Engineering (www.passolo.com)

RC Wintrans von Schaudin (www.schaudin.com)

Visual Localize von AIT (www.visloc.de)

Basisfunktionalitäten aller Translation-Memory-Systeme

Alle Translation-Memory-Systeme bieten dem Übersetzer / Projektmanager grundsätzliche Funktionen an, so zum Beispiel die Ermittlung der Wortzahl und der möglichen Entsprechungen (Matches) aus dem Translation Memory. Diese Statistiken sind jedoch von System zu System leicht unterschiedlich, da jedes System seine eigene Definition hat, was alles als Wort zählt.

Eine weitere Basisfunktionalität ist die automatische Vorübersetzung, hierbei werden alle bereits vorhandenen Übersetzungsvorschläge automatisch in die Übersetzungsumgebung übertragen – sie erscheinen also nicht erst, wenn der Übersetzer zum jeweiligen Segment kommt.

Des Weiteren haben alle Translation-Memory-Systeme eine Komponente, mit der Terminologie verwaltet werden kann. Dies bedeutet, dass während der Übersetzung nicht nur das Translation Memory nach ähnlichen Sätzen durchsucht wird, sondern auch die Terminologiekomponente nach der Übersetzung einzelner Begriffe oder Phrasen.

Alle Translation-Memory-Systeme bieten darüber hinaus auch eine sogenannte Alignment-Komponente. Damit kann man aus bereits übersetzten Dateien, bei denen der Ausgangs- und Zieltext in zwei separaten Dateien vorliegt, Segmentpaare herstellen, die dann im Translation Memory weiterverwendet werden können, ganz so, als seien sie damit übersetzt worden und in das Translation-Memory-System eingepflegt.

Weitere Funktionalitäten

Schon beim Editor zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Systemen. Einige arbeiten mit einem systemeigenen Editor in Fenster und/oder Tabellenform, andere setzen auf separate Editoren auf.

Mit dem Editor entscheidet sich auch, wie die Dateien, die übersetzt werden sollen, verarbeitet werden. Für interne Editoren werden die Dateien ins Translation-Memory-System importiert – wobei häufig Text von Layout getrennt wird, sodass der Übersetzer sich zunächst nur um den Text kümmern kann. Wird z. B. Word als Editor verwendet, lassen sich dort alle Formate verarbeiten, die in Word geöffnet werden können, andere Dateiformate müssen konvertiert werden, sodass man sie in Word öffnen kann oder sie werden mit einem anderen Editor übersetzt. Nach der Übersetzung werden die Dateien wieder mit ihrem Ursprungslayout zusammengeführt.

Je nach Art der Ausgangsdaten bietet sich die eine oder andere Variante an. Für interne Editoren eignen sich eher layoutneutrale Datenformate wie XML oder sehr gut strukturierte Dokumente aus Textverarbeitungswerkzeugen wie Word oder FrameMaker. Wird ein Textverarbeitungswerkzeug als Editor verwendet, ist der Übersetzer häufig auch mit Layoutproblemen konfrontiert – und das ist eigentlich nicht seine Aufgabe.

Die Art der Benutzerführung ist ebenfalls recht unterschiedlich. Wird man bei einigen Systemen mit Hilfe eines Assistenten durch das Anlegen eines Projektes geführt, kann, muss oder darf man bei anderen z.B. die Verzeichnisstruktur und alle weiteren Einstellungen selbst definieren. Hier muss zwischen Einfachheit und Flexibilität entschieden werden.

Außerdem findet sich in manchen Systemen eine Projektmanagement-Komponente oder die Möglichkeit, Zeilenpreise für die Abrechnung zu hinterlegen. Schließlich bieten einige Translation-Memory-Systeme eine Lösung für den Zugriff auf die Datenbanken übers Internet.

Fazit

Die Funktionalitäten sind so vielfältig, wie die Anforderungen an die Systeme.

Das heißt, auf die Frage "welches ist das beste System" gibt es keine eindeutige Antwort - Oder gibt es vielleicht "das beste Auto"?

Es kann immer nur das beste System für bestimme Anforderungen (z. B. Dateiformate, Kompatibilität mit anderen Applikationen…) geben. Ein Test mit eigenen Dateien und Prozessen empfiehlt sich da auf jeden Fall – vor dem Autokauf macht man ja auch eine Probefahrt.

Weiterführende Informationen finden Sie unter Leistungsübersicht Translation-Memory-Systeme.

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